Ontario 3 – Yours to discover

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Nach Toronto (27.06.2024) gönnen wir es uns erstmal auszuschlafen. Mit aufgefüllten Energiereserven machen wir uns auf den Weg immer weiter nach Nordwesten, einmal quer durch die Provinz Ontario. Zunächst müssen wir jedoch unsere Vorräte für die weitere Fahrt auffüllen. So geht die Zeit, wie an einigen Tagen auf der Reise mit Lädenhopping rum. Ebenso wie mit Abwasser entleeren und Frischwasserkanister säubern und auffüllen. Und immer wieder Auto fahren, kochen, essen, Schlafplätze suchen. Das alles nimmt wesentlich mehr Zeit in Anspruch als wir noch vor unserer Reise gedacht haben. Dies spiegelt die unromantische Seite des Camperlebens wider, an die die meisten Menschen erstmal nicht denken.


Bei einem der Schlafplätze treffen wir auf eine junge sympathische Frau, die uns erzählt, dass sie halbjährlich mit ihrem Camper quer durch Kanada reist und remote arbeitet. Den Rest des Jahres wohnt sie in Toronto. Wir sind begeistert und haben schon Visionen von einem ähnlichen Leben. Wir connecten uns über Instagram und machen uns wieder auf den Weg. Bei Instagram sehen wir jede Menge tolle Fotos und Videos von Orten, die sie schon besucht hat und genau auf unserer Route liegen. Leider werden wir auf dieser Strecke erstmal vom Regen und Nebel verfolgt. Um uns herum bildet sich eine dicke graue Suppe. Durch die Nebelschwaden sehen wir immer wieder Wälder, kleine Seen, Bäche und Flüsse blitzen. Bis der riesige Lake Superior links von der Straße neben uns auftaucht, an dem wir eine ganze Weile entlang fahren. Die Landschaft hier wird wieder bergiger und von der Straße weisen Felsabhänge den Weg hinab zum See. Hier gibt es wunderschöne Aussichtspunkte direkt von der Straße, die wir jedoch durch den dichten Nebel und Regen teilweise nur erahnen können. Wir legen einen Stopp bei einem kleinen Wasserfall ein und können hier der mystischen Stimmung, die der Nebel verbreitet doch noch etwas abgewinnen.


Als die Blase drückt und das Bedürfnis nach WLAN steigt halten wir in Wawa beim Besucherzentrum an. Dort werden wir von einer riesigen Statur von einer Wildgans begrüßt. Hier lernen wir, dass Wawa in der indigenen Sprache „Wildgans“ heißt. Dies spiegelt die Bedeutung der Wildgänse wider, die wichtige Zugvögel in der Region des Lake Superior darstellen.
Unser Roadtrip führt uns, zur Freude von Shirin, weiter zur Geburtsstätte von Winnie Pooh. Hier hat der Leutnant Harry Colebourn während des Ersten Weltkriegs  einen verwaisten Schwarzbären entdeckt und ihn nach seiner Heimatstadt Winnipeg benannt. Er nahm ihn mit nach London, wo er für den Rest seines Lebens im Londoner Zoo gelebt hat. Nach dem obligatorischen Foto vor der großen Winnie Pooh Statur, lernen wir eine Gruppe reisender kanadischer Frauen kennen, die begeistert sind von unserer Reise und uns Tipps für unsere weitere Route geben.
Beim nächsten Aussichtspunkt machen wir schon wieder Bekanntschaft mit zwei kanadischen Männern und tauschen uns über unsere Reiseerfahrungen aus. Die beiden haben auch schon eine Europa Tour hinter sich. In Kanada lernen wir immer wieder Menschen kennen, die durch ganz Europa gereist sind und viele Wurzeln oder Verwandte in Deutschland haben oder selbst dort für einige Zeit gelebt haben. Alle sind mega offen und nett, freuen sich, dass wir von Deutschland nach Kanada kommen, heißen uns Willkommen in ihrem Land und präsentieren ihre Brocken Deutsch, die sie gelernt haben. Wir finden das einfach nur sympathisch und freuen uns jedes mal darüber.


Und dann geht’s wieder los auf die regnerischen Straßen Ontarios. Trotz Regen halten wir häufig an Aussichtspunkten an und machen Fotos, denn diese Landschaft kann selbst der graue regenverhangene Himmel nicht entstellen. Bei Terrace Bay erfreuen wir uns über eine tolle Aussicht über einen Wasserfall, den Flusslauf und den Superior Lake und werden dort noch mit einem Regenbogen überrascht. Dies ist ein würdiger Abschluss des Tages und wir verkriechen uns für die Nacht wieder vor Wind und Wetter geschützt in unserem Bus.


Am 30.06.2024 wachen wir endlich wieder mit Sonnenschein auf. Unser erster Stopp für diesen sonnigen Tag ist ein Aussichtspunkt über den Superior Lake am Terry Fox Denkmal. Es erinnert an den berühmten kanadischen Sportler und Aktivisten Terry Fox, der 1980 seinen Marathon of Hope begann, um Spenden für die Krebsforschung zu sammeln, nachdem er selbst ein Bein durch Knochenkrebs verloren hatte. Das Denkmal steht nahe der Stelle, an der er aufgrund des Rückfalls seiner Krankheit seine Laufstrecke abbrechen musste. Die Statur zeigt den rennenden Terry Fox und bietet einen beeindruckenden Blick auf den Lake Superior. Hier können wir unser Müsli mal wieder mit einem grandiosen Blick über die Landschaft Kanadas genießen. So isst es sich am besten 😉


Da diese Gegend Kanadas bekannt ist für seine Amethystminen, wollen wir uns mal nach den hiesigen Amethysten umschauen. Und so landen wir im Hinterhof einer sympathischen älteren Frau, die seit Jahrzehnten im Familienbetrieb die Amethysten selber abbaut und bearbeitet. Überall in ihrem Schuppen hängen Fotos, die die Geschichte ihrer Familie in der Minenarbeit erzählt. Wir fragen nach und sie erzählt uns von ihrem verstorbenen Mann und ihren zwei Söhnen und die Entwicklung des Amethystabbaus in ihrer Familie. Wir freuen uns über die Herzlichkeit und Offenheit der Frau und nehmen noch ein, zwei kleine Steinchen als Mitbringsel und Andenken mit.


Anschließend besuchen wir die Kakabeka Falls bei strahlendem Sonnenschein. Auch hier sind wir erneut beeindruckt von den Wassermassen, die den Wasserfall hinabstürzen. Im Vergleich zu den Niagara Fällen sind diese jedoch ganz bräunlich eingefärbt. Dies kommt von den Mineralien, der umliegenden Felsen, die stetig abgetragen werden.


Die weitere Autofahrt führt uns durch die Gegend von Lake of the Woods und diese können wir richtig genießen, da die wunderschöne Landschaft um uns im Sonnenlicht erstrahlt. Wir sind mal wieder begeistert von dem schier endlosen Wassergebiet, das sich um uns herum ausbreitet, den Nadelbäumchen, die überall aus der Erde sprießen und die Taiga Landschaft, die sich vor uns erstreckt. Eine Besonderheit des Lake of the Woods ist, dass er eine Grenzregion zwischen Kanada und USA ist. Der See stellt seit Jahrhunderten ein traditionelles Gebiet für die First Nations dar. Er spielte schon immer eine wichtige Rolle für den Fischfang, kulturelle Zeremonien und als Handelsweg. Ebenso für europäische Pelzhändler im 18. Jahrhundert. Historisch hatten die First Nations keine politischen Grenzen. Daher wurde auch nach der Festlegung der modernen Grenzen den First Nations durch Verträge oft die grenzüberschreitende Nutzung für traditionelle Zwecke zugesichert. Dies stellt ein wichtiges Beispiel für die Anerkennung indigener Rechte trotz der existierenden Landesgrenzen dar.
Der Lake of the Woods mit seinen über 14.500 Inseln macht uns richtig Lust auf Kanu fahren. Leider haben wir keines. Das finden wir sehr schade. Vor allem, weil uns ständig, die noch so kleinen Autos mit Kanu aufs Dach geschnallt entgegenkommen. An einem Rastplatz lernen wir Doreen und Bob kennen, die den Traum vom Urlaub im Kanu auf dem Lake of the Woods wahr gemacht haben. Als die beiden von unseren Plänen erfahren, zum Wochenende in Calgary zum Auftakt der Stampede zu sein, bieten die zwei uns an bei Ihnen im Hinterhof zu übernachten, falls wir vor Ort nichts finden sollten. Dazu drehen sie extra nochmal um, nachdem sie bereits den Rastplatz verlassen hatten, um uns ihre Visitenkarte zu geben. Wir sind mal wieder überwältigt von der Freundlichkeit der Kanadier und machen uns beflügelt von der Herzlichkeit der beiden, wieder auf den Weg.


Bei dem nächsten Rastplatz am See lernen wir ein Schweizer Pärchen kennen, das ebenfalls auf dem Weg nach Alaska ist. Sie erzählen uns, dass der Mann die Route Texas – Alaska bereits mit dem Fahrrad gefahren ist. Wir sind beeindruckt. Auf unserer Reise sehen wir immer wieder Fahrradfahrer, die sich bei Wind und Wetter die Berge rauftreten. Diese bekommen unseren Respekt und unser Mitleid bei 30 Grad im Schatten oder 10 Grad und Regen. Aber uns ist klar: das würden wir im Traum nicht machen. Da bleiben wir lieber in unserem Bub 😉
Und wieder geht ein Tag zu Ende und wieder suchen wir nach einem Plätzchen für die Nacht. Wir finden einen Schlafplatz – und was für einen! Während wir uns mit einem sympathischen belgischen Pärchen unterhalten, die neben uns parken, entdecken wir auf der gegenüberliegenden Straßenseite einen Weißkopfseeadler auf einem Ast, der wohl schon seit gestern dort zu sitzen scheint. Den Sonnenuntergang genießen wir dort an einem unfassbar idyllischen See. Der Ort scheint perfekt. Links von uns rauscht ein kleiner Wasserfall vor dem 2 Pelikane ihre Runden drehen. Nach rechts sehen wir über dem See die Sonne untergehen und mitten durch schippert ein kleines Fischerbötchen. Am Ufer entdecken wir ein,  zwei kleine Wohnhäuser und wir sind uns sicher: die leben den Traum. Hier fühlen wir uns heute so richtig angekommen und können tief in die Umgebung eintauchen. 


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